Mai: Sebastian Risse (HZB)
Sebastian Risse ist Leiter der Forschungsgruppe „Electrochemistry“ und stellvertretender Leiter der Forschungsgruppe „Operando Batterieanalyse“ (CE-GOBA). Er habilitiert sich zurzeit an der HU Berlin im Bereich Elektrochemie und hat gleichzeitig das Amt der stellvertretenden Leitung des Instituts für Elektrochemische Energiespeicherung (CE-IEES) inne. Zusätzlich zu seiner Rolle in diesen Kapazitäten ist Sebastian Risse als koordinierender Autor für den Batterie Science Case des neuen Synchrotrons BESSY III tätig. Er koordiniert außerdem drei BMBF-Projekte zum Thema „Metall/Schwefel Batterien“ und repräsentiert das Helmholtz Zentrum Berlin in der „Batteries European Partnership Association (BEPA)“. Wir haben mit ihm über seine Forschung, seine Motivation und die aktuellen Herausforderungen gesprochen, denen er sich gerade stellt.
Interview:
Woran arbeitest du gerade?
Sebastian Risse: In unserem Forschungsteam widmen wir uns derzeit der Untersuchung verschiedener Metall/Schwefel-Batteriesysteme durch den Einsatz von operando Analysemethoden. Unser Ansatz besteht darin, innovative Messaufbauten zu entwickeln, die simultane Messungen ermöglichen. Dies erlaubt es uns, während des Betriebs aus verschiedenen Perspektiven mechanistische Einblicke in die Funktionsweise der Batterien zu gewinnen. Ein wesentlicher Aspekt unserer Forschung ist die Entwicklung von Messskripten und Algorithmus basierten Analysemethoden, die es ermöglichen, Degradationsmechanismen unter realen Betriebsbedingungen zeitlich und räumlich lokalisiert über zahlreiche Zyklen hinweg zu erfassen. Die gewonnenen Erkenntnisse nutzen wir, um Syntheseverfahren zu verbessern, wodurch wir die Lebensdauer und Sicherheit von Batterien signifikant steigern können.
Diese Methodik lässt sich zudem erfolgreich auf andere elektrochemische Systeme übertragen, wie beispielsweise die elektrochemische Stickstoffreduktion, bei der wir aktuell mit der Monash Universität in Australien zusammenarbeiten. Ein weiteres wichtiges Forschungsgebiet ist die CO2-Reduktion, die wir in einer internen Kooperation am HZB erforschen.
Zusätzlich planen wir die Realisierung einer neuen Soft-to-Tender Beamline (SoTeXS) am Synchrotron BESSY II, welche die operando Nahkantenspektroskopie an Batteriegrenzflächen mit einem sehr hohen Probendurchsatz ermöglichen soll. Dieses Vorhaben spiegelt unser Engagement wider, wissenschaftliche Grenzen zu erweitern und technologische Fortschritte in der Batterieforschung zu fördern.
Was treibt dich persönlich an?
Sebastian Risse: Mein persönlicher Antrieb wird wesentlich durch meine wissenschaftliche Neugier und die fruchtbare interdisziplinäre Zusammenarbeit geprägt. Es ist mir ein großes Privileg, durch meine Arbeit einen substanziellen Beitrag zur Entwicklung neuer Technologien zu leisten, insbesondere im Bereich der Energiewende. Dabei liegt mir die Erforschung grundlegender Mechanismen besonders am Herzen, da sie für das Verständnis und die Verbesserung technologischer Prozesse unabdingbar sind. Ein zentraler Aspekt meiner Forschung ist aber auch die Entwicklung von nachhaltigeren Batteriekonzepten in industrierelevanten Formaten wie den Pouchzellen. Diese Arbeit trägt nicht nur zur wissenschaftlichen Gemeinschaft bei, sondern fördert auch einen schnelleren Wissenstransfer, der essentiell für die Umsetzung effizienter und umweltfreundlicher Energielösungen ist.
Welche Herausforderungen siehst du für dich in der nächsten Zeit?
Sebastian Risse: Neben der Fertigstellung meiner Habilitation an der HU Berlin möchte ich mich gern weiter auf dem Gebiet der operando Analyse von elektrochemischen Systemen profilieren. Beide Vorhaben sind sehr zeitintensiv und daher ist ein effizientes Zeitmanagement für mich entscheidend. Darüber hinaus sehe ich die rapide fortschreitende Digitalisierung der Forschung als eine weitere große Herausforderung an. Die Einbindung von neuen Analysemöglichkeiten von großen Mengen an Messdaten in unseren Forschungsalltag ist Chance und Herausforderung gleichermaßen.
Was würdest du dir für deine Forschung in Zukunft wünschen?
Sebastian Risse: Für die Aufrechterhaltung des exzellenten Batterieforschungsniveaus in Deutschland ist eine kontinuierliche Förderung unabdingbar. Leider kam es durch die Bundeshaushaltsplanung für 2024 im Zusammenhang mit der erheblichen Kürzung des Klima- und Transformationsfonds (KTF) auch zu einem empfindlichen finanziellen Einschnitt in der deutschen Batterieforschung, der den Fortbestand der zuvor aufgebauten Forschungsnetzwerke gefährdet. Daher wünsche ich mir für die Zukunft mehr Planbarkeit in unserem Forschungsgebiet.
Wissenschaftlich wünsche ich mir besonders im Hinblick auf die Energiewende eine mehr angewandte Forschung bei der sich die Ergebnisse auf realisierbare Konzepte, die auch industriell relevant sind, in einem schnellen Wissenstransfer übertragen lassen. Besonders sinnvoll halte ich hier enge strategische F&E Kooperationen mit Partnern aus der deutschen und europäischen Batterieindustrie, um den enormen Vorsprung der asiatischen Batteriehersteller aufholen zu können.
Wo siehst du deine Disziplin in 5-10 Jahren?
Sebastian Risse: In den nächsten fünf bis zehn Jahren wird sich die Batterietechnologie natürlich weiterentwickeln, wobei die Grundstruktur aus zwei Elektroden und einem Elektrolyten erhalten bleibt. Die zukünftige Forschung wird sich daher weiterhin auf die Prozesse an Grenzflächen und im Volumen der Batterien konzentrieren, um deren Leistung zu optimieren. Operando Analysemethoden werden hierbei eine Schlüsselrolle spielen, indem sie Echtzeit-Einblicke in die chemischen und physikalischen Vorgänge während des Betriebs der Batterie ermöglichen.
Ein weiterer treibender Faktor für die zukünftige Batterieforschung wird die Nachhaltigkeit der verwendeten Rohstoffe sein, insbesondere im Hinblick darauf, welche Materialien in Europa verfügbar und umweltverträglich sind. Dabei könnten alternative Batteriesysteme wie Natrium-Ionen, Metall-Schwefel und multivalente Metallionenbatterien neben den etablierten Lithium-Ionen Technologien (NMC, LFP, LFMP) an Bedeutung gewinnen.
Darüber hinaus wird die fortschreitende Digitalisierung und der Einsatz künstlicher Intelligenz transformative Veränderungen herbeiführen. Es ist zu erwarten, dass KI-Systeme, die mit umfangreichen Datensätzen trainiert werden, innovative und leistungsfähige Elektrodenkompositionen und Elektrolytzusammensetzungen vorschlagen werden. Diese technologischen Fortschritte versprechen, die Effizienz und Kapazität von Batterien erheblich zu steigern und könnten so die Energiespeicherlandschaft nachhaltig verändern.
ORCID: 0000-0003-0100-8365