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Natalia Mayordomo Herranz (HZDR)

Natalia Mayordomo Herranz promovierte an der CIEMAT in Madrid und kam als Postdoc 2017 an das Helmholtz-Zentrum Dresden Rossendorf (HZDR). Seit 2022 leitet sie dort die Nachwuchsforschungsgruppe TecRad, die das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert. Mit ihrem Team untersucht sie die Wechselwirkungen des langlebigen Spaltproduktes Technetium-99 (99Tc) mit Materialien, die in einem möglichen Endlager für radioaktive Abfälle vorhanden sein könnten, zum Beispiel verschiedene Eisenphasen nach Korrosion der Stahlbehälter oder weit verbreitete Mineralien, Metaboliten und Mikroorganismen aus den verschiedenen geotechnischen und geologischen Barrieren des Endlagers. Das Ziel der Forschung ist es, das Verhalten dieses Radionuklids im Endlager grundlegend zu verstehen. Wir haben mit Natalia Mayordomo Herranz im Interview über ihre Arbeit und ihre Motivation gesprochen.

Interview:

Woran arbeitest du gerade?

Natalia Mayordomo Herranz: Technetium-99 (99Tc) ist ein langlebiges radioaktives Isotop mit einer Halbwertszeit von 210.000 Jahren. 99Tc ist eines der Produkte, das bei der Neutronenbestrahlung der Isotope Uran-235 und Plutonium-239 entsteht, die beide Bestandteil des Kernbrennstoffs sind. Somit trägt 99Tc massiv zu den radioaktiven Abfällen bei, die bei der Energieerzeugung anfallen. Darüber hinaus ist 99Tc das Zerfallsprodukt des metastabilen Technetium-99-Isotops (99mTc), eines kurzlebigen Isotops (Halbwertszeit etwa 6 Stunden), das in der radiopharmazeutischen Krebsdiagnostik und -therapie eingesetzt wird. Tatsächlich ist 99mTc das am häufigsten verwendete Isotop für die Positronen-Emissions-Tomographie mit weltweit circa 40 Millionen Anwendungen pro Jahr.

Die Chemie von Tc ist aufgrund seiner vielfältigen Redoxeigenschaften eine besondere Herausforderung. Tc hat neun Oxidationsstufen, die je nach den herrschenden Umweltbedingungen stabil sein können. Ob sich Tc in der Umwelt ausbreiten kann, hängt zum Beispiel vom pH-Wert, von der Möglichkeit, sich an organische und anorganische Liganden zu binden, oder dem elektrischen Potenzial ab. Diese Fragen sind relevant, da 99Tc gerade im Grundwasser sehr mobil ist und so in die Nahrungskette lebender Organismen eindringen könnte. Daher entwickeln wir Strategien, die die Aus- und Weiterverbreitung von Tc in die Umwelt verhindern.

Das spielt natürlich vor allem bei dem geplanten Endlager für hochradioaktive Stoffe eine entscheidende Rolle. Gemeinsam mit meinem Team leiste ich einen Beitrag, um mögliche Standorte zu bewerten. Solche Endlager sind komplexe Gefüge, bei denen viele Faktoren – von thermischen und hydraulischen über mechanische und chemische bis hin zu biologischen – die Sicherheit beeinflussen. Unser Fokus liegt auf der Biogeochemie. Konkret untersuchen wir, wie im Endlager möglicherweise vorkommende Mikroorganismen, metabolische Stoffwechselprodukte oder Mineralien mit Tc interagieren.

Dafür kombinieren wir Schadstoff-Sorbent-Kontakt-Experimente, elektrochemische Methoden, teilweise röntgenbasierte Beugungs-, mikroskopische und spektroskopische Techniken sowie die geochemische Modellierung. Unsere Forschung liefert wichtige robuste thermodynamische Daten für chemische Komplexe, die wir auf molekularer Ebene verifizieren. Das ist nicht nur wichtig für die Sicherheitsbewertung eines Endlagers, sondern lässt sich auch auf die Untersuchung anderer Schadstoffe in der Umwelt, zum Beispiel Selen, Arsen und Blei, übertragen. Mit unseren Daten lassen sich darüber hinaus Strategien zur Dekontaminierung von Tc-verunreinigten Flächen entwickeln.

Was treibt dich persönlich an?

Natalia Mayordomo Herranz: Seit ich meine wissenschaftliche Laufbahn begonnen habe, war ich immer motiviert, neue Methoden und Disziplinen in meine Forschung einzubringen, um eine breitere Perspektive auf chemische Prozesse zu erhalten und ein fundiertes Verständnis der von mir untersuchten Systeme zu erlangen. In meinem Forschungsbereich ist dies von größter Bedeutung, da nur ein multidisziplinärer Ansatz dazu beitragen wird, einen sicheren Standort für die Entsorgung unserer radioaktiven Abfälle zu finden. Dies gilt auch für die Bewertung und nachhaltige Behandlung von Kontaminationen in der Umwelt.

Darüber hinaus liegt es mir sehr am Herzen, mein Wissen an die nächste Generation von Forschenden und Ingenieuren und Ingenieurinnen weiterzugeben. Ich möchte gerne ihr Interesse für die faszinierende Chemie wecken und sie stark machen für die neuen Herausforderungen unserer Zeit vor allem in Bezug auf Umweltschutz und Energiewende.

Welche Herausforderungen siehst du für dich in der nächsten Zeit?

Natalia Mayordomo Herranz: Eine sehr konkrete Herausforderung in meiner Nachwuchsforschungsgruppe TecRad ist die Kopplung von spektroskopischen und elektrochemischen Techniken. Dies wird große wissenschaftliche und technologische Anstrengungen von meinem Team, meinen Kollegen und Kolleginnen und den beteiligten Herstellerfirmen erfordern. Wenn uns dies jedoch gelingt, werden wir ein besseres und realistischeres Verständnis des Redoxverhaltens von Tc und anderen redoxaktiven Schadstoffen in Lösung und an der Grenzfläche zwischen Wasser und Mineralien bzw. Wasser und Mikroorganismen erhalten, was bisher technisch kaum zugänglich ist.

Was würdest du dir für deine Forschung in Zukunft wünschen?

Natalia Mayordomo Herranz: Ich wünsche mir, mehr Experimente unter komplexen und realistischen Bedingungen durchzuführen. Es wäre hervorragend, wenn wir das Verhalten redoxaktiver Schadstoffe in-situ mit spektroskopischen und elektrochemischen Methoden verfolgen und mit geochemischen Modellen die Immobilisierung redoxaktiver Schadstoffe, wie Technetium, beschreiben könnten.

Aus persönlicher Sicht hoffe ich, dass der wissenschaftliche Nachwuchs weiterhin Interesse hat, sich in diesem Forschungsbereich zu qualifizieren, und wir gemeinsam mit Politik und Gesellschaft den Nachhaltigkeitszielen für eine saubere Umwelt und saubere Energien näherkommen.

Wo siehst du deine Disziplin in 5-10 Jahren?

Natalia Mayordomo Herranz: Dank des technologischen Fortschritts haben sich die computergestützten (auch KI) und die experimentellen Methoden in den letzten Jahren erheblich weiterentwickelt. Dieser Trend wird sich fortsetzen. Für unsere zukünftigen Arbeiten bedeutet das eine stärkere Vernetzung von theoretischen und experimentellen Ansätzen.

Weiterhin werden sich die Methoden zur Quantifizierung und zur Überwachung des Verhaltens von Radionukliden im Ultraspurenbereich unter realistischeren Umweltbedingungen (pH-Wert, Koexistenz mehrerer Komponenten, elektrisches Potenzial, Temperaturen) entwickeln.  Für die Entsorgung der hochradioaktiven Abfälle in Deutschland wird dies von großer Bedeutung sein.

ORCID: 0000-0003-4433-9500